Kandidat*innen zur Oberbürgermeister-Wahl in Stuttgart und ihre Antworten zum Fragenkatalog des ABS-ZsL

Befragte Kandidat*innen:

Dr. Malte Kaufmann, AfD / malte-kaufmann.de

Veronika Kienzle, Grüne / veronika-kienzle.de

Martin Körner, SPD / koerner-stuttgart.de

Dr. Frank Nopper, CDU / frank-nopper.de

Hannes Rockenbauch, SÖS / rockenbauch.de

Dr. Ralph Schertlen / schertlen.de

Marian Schreier / marianschreier.de

Marco Völker / marco-völker.de

Fragenkatalog:

Inklusion

Es gibt den Satz: Menschen sind nicht behindert. Menschen werden behindert. Wir sagen: Menschen dürfen nicht von ihrer Umgebung behindert werden. Die Stadt Stuttgart unterstützt das Recht auf Inklusion gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention und hat dazu einen Aktionsplan erstellt.

Frage 1:
Welche dieser Maßnahmen im Aktionsplan werden Sie besonders fördern?

Kaufmann:
Mir ist besonders wichtig, dass Menschen mit Behinderung nicht nur vom Staat abhängig sind, sondern möglichst viele private Gestaltungsmöglichkeiten haben, die dann z. B. steuerlich gefördert werden.

Kienzle:
Das Gesetz zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung nehme ich sehr ernst. Ich trete dafür ein, dass die Stuttgarter Stadtgesellschaft zu einem inklusiven Gemeinwesen im Sinne der UN‐BRK wird, in dem Menschen mit und ohne Behinderung  selbstverständlich miteinander leben, lernen, wohnen und arbeiten.
Am 3. Dezember 2015 wurde das Leitbild der Stadt zur Umsetzung der UN‐BRK beschlossen. Das war ein erster wichtiger Schritt. Leitbilder sind wichtig, sie umzusetzen, ist noch wichtiger.
Deshalb haben für mich drei Punkte besondere Bedeutung:
1. Umsetzung des Fokus-Aktionsplans:
Ich werde mich als Oberbürgermeisterin dafür einsetzen, dass die Inhalte des Aktionsplans auch umgesetzt werden. Deshalb wäre für mich an erster Stelle geboten, dass kontinuierlich alle 2 Jahre regelmäßig und somit in kürzeren Abständen als heute die Evaluation des Aktionsplans stattfindet und 2-jährlich, an den Haushaltsturnus der Stadt gekoppelt, konkrete Maßnahmen zur Umsetzung beschlossen werden.
2. Sichtweise der Betroffenen beachten
Ein zentraler Punkt aus dem Fokus-Aktionsplan ist für mich, dass der Sichtweise der Betroffenen mehr Beachtung geschenkt wird und deren Position in den Diskussionen eine höhere Wertigkeit gegeben wird. Das ist für mich eine grundlegende Haltung, ohne die Inklusion nicht gelingen kann.
3.  Vernetzung und Abstimmung der Maßnahmen
Um erfolgreich Inklusion leben zu können, muss eine verbesserte Kommunikation und Abstimmung z. B. zwischen den verschiedenen Ämtern und Behörden stattfinden. Inklusion kann nur gelingen, wenn in den einzelnen Ämtern angekommen ist, welche Ziele für die Stadt gelten und die Mitarbeiter*innen entsprechend geschult werden bzw., wenn Inklusionsberatung für die verschiedenen Fachdisziplinen zur Verfügung gestellt wird. Dafür würde ich mich als Oberbürgermeisterin einsetzen.
Wichtigste Maßnahmen:
1. Wohnen
Die Wohnsituation von Menschen mit Behinderung ist zu verbessern. Individuelle / alternative Wohn- und Lebensmodelle brauchen Räume. Dafür fehlt es an Wohnraum.  Deshalb muss adäquater Wohnraum geschaffen werden. Durch eine Änderung der Vergabegrundsätze von städtischen Grundstücken (grundsätzlich Schaffung von z. B. rollstuhlgerechtem Wohnraum im Erdgeschoss) und eine finanzielle Förderung des Baus von Aufzügen zur Schaffung von barrierefreien Wohnungen in den Obergeschossen von bereits bestehenden Wohngebäuden durch die Landeshauptstadt Stuttgart ist erforderlich. Ein Fördervolumen von jährlich 1 Mio. EUR könnte hier einen Impuls setzen. Auch sehe ich hier eine wichtige Rolle der städtischen Wohnbaugesellschaft SWSG. Vor allem die Reaktivierung der Erdgeschosse für barrierefreies Wohnen und kommunikative Nachbarschaft, für Einzelhandel und zur Belebung des Öffentlichen Raums liegen mir am Herzen.
2. Barrierefreie Räume
Barrieren im öffentlichen Raum und in öffentlichen Gebäuden: Es gibt immer noch zu viele Barrieren in Bestandsbauten. Eine Nachrüstung zur Schaffung von Barrierefreiheit ist unter Berücksichtigung der DIN 18040-3 dringend erforderlich – auch bei ÖPNV-Haltestellen. Dafür braucht es in der Abteilung Stadtentwicklung des Amtes für Stadterneuerung und Stadtplanung eine zusätzliche (unbefristete) Stelle, die insbesondere bei der Planung des öffentlichen Raums auf die Belange von Menschen mit Behinderung achtet. Eine ebensolche Stelle gehört in die Hochbauverwaltung, um die die städtischen Planungen, insbesondere auch bei Gebäudesanierungen aus dem Blickwinkel der umfassenden Barrierefreiheit zu betreuen.

Körner:
Besonders Mobilität ist für viele Menschen mit Behinderung ein zentraler Aspekt einer selbstbestimmten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Mit dem Paket Inklusion 2.0 wurden in diesem Haushalt der Stadt wichtige Bereiche weiterentwickelt, zum Beispiel mit einem Sonderbudget für barrierefreie Stadtbahnhaltestellen. Hier gilt es, dranzubleiben und zukünftig verstärkt die Interessen und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen einzubeziehen.
Auch die Frage nach barrierefreier Information sowie der erleichterte barrierefreie Zugang in das Gesundheitssystem sind für Menschen mit Behinderung nicht selbstverständlich. Ich möchte, dass die Verwaltung und der Gemeinderat – zusammen mit Ärzten und den Kliniken – hier einen Schwerpunkt setzen. Es gab vor ein paar Jahren bereits ein Projekt mit dem Diakonie-Klinikum. An dessen Ergebnisse müssen wir anknüpfen. Drittens möchte ich, dass auch das Thema „Umgang mit nicht-sichtbaren Behinderungen“ mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wird. Dies will ich gemeinsam mit den Betroffenen diskutieren und angehen.

Nopper:
Mir sind 3 Punkte besonders wichtig:
1. den ÖPNV für alle Menschen mit einer Behinderung, nicht nur für Rollstuhlfahrer auszubauen. Dazu gehören auch die städtischen Gebäude, denn hier kann ein Oberbürgermeister Einfluss nehmen.
2. die Gebärdensprache voranzutreiben, denn diese ist ein wichtiger Baustein für Teilhabe.
3. Assistenz für Kinder und Jugendliche in Schule und Kita auszubauen. Die Stadt wird demnächst ein Modellprojekt ins Leben rufen, welches auch nach Beendigung weiter finanziert werden muss.
4. barrierefreies Wohnen, denn viele Menschen mit Behinderungen haben ein großes Problem eine für sie passende Wohnung zu finden.
Menschen mit Behinderung werden auf vielen Gebieten nach wie vor benachteiligt.

Rockenbauch:
Für mich sind die Maßnahmen zur Mobilität bzw. zum barrierefreien öffentlichen Raum sowie zum Wohnen zentral. Der Wohnungsmarkt in Stuttgart ist schon angespannt genug, hierunter leiden ganz besonders auch Menschen mit Behinderung. Es müssen alternative und barrierefreie Wohnmodelle gefördert werden, es muss genügend und bedarfsgerechten Wohnraum für alle geben. Wir brauchen, um die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen und damit Menschen mit Behinderung ein gleichberechtigtes, würdevolles Leben zu ermöglichen, auch einen barrierefreien Öffentlichen Raum und ÖPNV. Hier sehe ich die Stadt als Bauherrin in der Pflicht, zukünftige und vorhandene Bauten und Plätze barrierefrei zu gestalten. Dies gilt auch im Besonderen für den ÖPNV.

Schertlen:
Im Prinzip alle unter 3 gelisteten, aber „besonders“ 3.3 [Barrieren im öffentlichen Raum], 3.4 [Stellung von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft], 3.5 [Arbeit und Bildung], 3.6 [Kultur, Freizeit und Sport], 3.8 [Information, Kommunikation und Vernetzung]. Die anderen sind zumindest Teilweise auch Maßnahmen, für die mit Dritten kooperiert werden kann, z.B. für 3.1 [Wohnen] mit der SWSG, deren Aufsichtsratsvorsitzender ich ja dann auch wäre.

Schreier:
Ich bin der Meinung, dass gleichberechtigte Teilhabe aller Stuttgarterinnen und Stuttgarter nur dann verwirklicht werden kann, wenn Inklusion nicht mehr als zusätzlicher Aspekt mitbedacht wird, sondern zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Inklusion ist eine dauernde Aufgabe. Der Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zeigt deutlich auf, dass die Landeshauptstadt Stuttgart beim Thema Inklusion in allen Bereichen noch Nachholbedarf hat. Das Inklusionspaket im aktuellen Doppelhaushalt als systematischer Ansatz zur Förderung von Inklusion halte ich für einen wichtigen Schritt.
Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes halte ich es für besonders wichtig, dass wir mehr bezahlbaren, barrierefreien Wohnraum schaffen, denn Wohnen ist eine Grundvoraussetzung für die Teilhabe am öffentlichen Leben in unserer Stadt. Daher würde ich gerne insbesondere die Maßnahmen fördern, die das Thema Wohnen adressieren. Die anderen Maßnahmen und Themenfelder, die beispielsweise Verbesserungen im Bereich des selbstbestimmten Lebens, die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum oder der gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsmarkt bewirken sollen, halte ich dabei für genauso wichtig.

Völker:
Zuerst muss ich anmerken, dass alle Maßnahmen aus dem Aktionsplan richtig und wichtig sind. Sie gegeneinander aufzuwiegen fällt mir schwer. Ich möchte dennoch drei besonders favorisieren. Zum einen glaube ich, dass insbesondere das Thema Wohnen sehr wichtig ist. Gerade auch, da Stuttgart ein massives Problem mit der Wohnungsbaupolitik und hier im Speziellen mit dem sozialen Wohnungsbaukonzept hat. Wohnen ist ein Grundbedürfnis und deshalb muss es erschwinglich sein und notwendige Umbauten dürfen nicht nur zu Lasten von körperlich beeinträchtigten Personen gehen. Hier müssen die Koordination und der Ausbau z. B. mit Trägern wie der FLÜWO-Stiftung und anderen forciert werden. Sodann ist das Thema Arbeit und Bildung wichtig, denn wir brauchen arbeitstätige und gut ausgebildete Menschen in unserer Stadt. Behinderte Menschen besitzen wichtige Fähigkeiten, was sie zu wertvollen Mitarbeiter*innen macht. Insbesondere ihre eigene Ausgrenzungserfahrung macht sie deutlich sensibler für die Belange von anderen Menschen. Das ist ein Potenzial, was gehoben werden muss. Arbeitsplätze können heute wunderbar und mit weniger Aufwand als wir gemeinhin denken, behindertengerecht gestaltet werden. Das Vorurteil, das behinderte Menschen weniger Leisten muss endlich gebrochen werden. Zu guter Letzt ist mir die Stellung von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft ein wichtiges Anliegen. Sie sollen als völlig gleichwertiger Bestandteil in unserer Stadtgesellschaft wahrgenommen werden. Hier müssen sie eine Stärkung erfahren durch einen OB an der Spitze der Stadt, der das kapiert hat und umsetzen wird. Mein Vorschlag wäre hier die Schaffung einer neuen Stelle, nämlich die des/der Inklusions-Bürgermeister*in.


Menschen mit Behinderung werden auf vielen Gebieten nach wie vor benachteiligt.

Frage 2:
Was müsste ihrer Ansicht nach von der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat getan werden, um der Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung wirksam entgegenzutreten?

Kaufmann:
Je geringer sich eine Behinderung im Alltag und Beruf auswirkt, umso weniger werden sich die Menschen ausgegrenzt fühlen. Geringschätzung gegenüber Menschen mit Behinderung ist auch ein Problem der kulturellen Prägung. Hier sehe ich auch Handlungsbedarf.

Kienzle:
Die unter Punkt 1 und die nachfolgenden Ziffern 3- 7 energisch umsetzen.

Körner:
Verwaltung und Gemeinderat müssen ein Vorbild sein. Sie müssen aber auch alle anderen zivilgesellschaftlichen Akteure immer wieder auffordern, diesen Anspruch, den der Gemeinderat stellvertretend für die Stadtgesellschaft formuliert hat, einzulösen. Das fängt mit der Sprache an (etwa „Menschen mit Behinderung“ statt „Behinderte“) und geht über in das Thema Chancengleichheit (Stichworte: Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie Freizeitgestaltung). Und dann ist natürlich wichtig, dass die Stadt – Verwaltung und Gemeinderat gemeinsam – mit der konsequenten Umsetzung des Aktionsplans den Worten Taten folgen lassen!

Nopper:
Die Stadt kann Begegnungen für Menschen mit Behinderungen und ohne Behinderungen fördern, um Unsicherheiten, Barrieren und auch Ängste abzubauen. Darüber hinaus könnte ich mir eine Kampagne der Stadt vorstellen, die für Verständnis und Rücksichtnahme den Menschen mit Behinderungen gegenüber wirbt.

Rockenbauch:
Ein Schritt in die richtige Richtung, wäre bspw. Institutionen wie das Büro für Antidiskriminierungsarbeit weiter auszubauen, derartige Institutionen sind „…sind parteilich mit denjenigen, die Diskriminierung erfahren…“ und genau dies ist der Anspruch für mich, Menschen mit Behinderungen eine Lobby zu schaffen. Regelmäßig habe ich mit meiner Fraktion zusammen Anträge in die Haushaltsverhandlungen mit eingebracht, welche direkt die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung mindern sollen; diese Anträge gingen über die Barrierefreiheit des Rathauses, über die Förderung zum Bau von Aufzügen zur Begründung barrierefreier Wohnungen, sowie die Schaffung von Stellen, zur Verwirklichung der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum.
Es bedarf auch einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne, um für dieses Thema zu sensibilisieren. Wenn man schon im frühen Alter bei Kindern, Jugendlichen, aber auch bei Personalvertreter*innen, sowie im öffentlichen Raum, Inklusion als wichtige Möglichkeit zu Bereicherung und gesellschaftlichen Lebens wirbt und so auch sensibilisiert, kann ein entsprechendes Bewusstsein geschaffen werden, dass Menschen mit Behinderung, genauso in unsere Gesellschaft gehören, wie alle anderen auch. Ich verlange, dass Menschen mit Behinderung die Chance bekommen, nicht nur am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu dürfen, ich verlange, dass diese Menschen wie alle anderen auch, der Gesellschaft etwas geben können, nicht nur Teilhabe ist hier für mich wichtig, sondern auch die Teilhabe, hier müssen Möglichkeiten geschaffen werden, wie Menschen mit Behinderung der Stadt Stuttgart, über das Thema der Barrierefreiheit hinaus, sich beteiligen und einbringen können.
Die Behindertenbeauftrage leistet sehr gute Arbeit und in Vergangenheit habe ich mich bereits dafür eingesetzt, dass diese Stelle hauptamtlich besetzt wird. Grundsätzlich sollte die Position der Behindertenbeauftragten weiter gestärkt werden. Es ist zentral, dass Beschwerden, welche keinen Einzelfallcharakter haben, sondern auf strukturelle Probleme hinweisen, konsequent gelöst werden, hier würde ich mich auch für eine regelmäßige Evaluation der Effektivität der Problembearbeitung stark machen. Es gibt positive Veränderungen und die Stadt Stuttgart ist aktuell auf einem guten Weg und auf diesem gilt ist es zu bleiben; reden können wir alle, aber es sind die Taten, die erst die Lebensqualität, der Menschen mit Behinderung auf ein gerechtes Maß heben können.

Schertlen:
Es müssten tatsächlich gleiche Chancen gegeben sein, die physischen und psychischen Hemmnisse müssten verschwinden. Eigentlich müsste ganz einfach in allem die Behinderung mitgedacht werden (z.B. bei Planungen) und entsprechend so agiert werden, dass Behinderungen keine Behinderung mehr darstellen.

Schreier:
Ich bin überzeugt, dass die Stadtverwaltung hier als Vorbild agieren muss und an der Spitze der Bewegung gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung stehen sollte. Daher müssen wir die öffentlichen Gebäude weiter auf ihre Barrierefreiheit hin anpassen, Stellenbesetzungen mit Menschen mit Behinderung weiter fördern und das städtische Personal weiter für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen sensibilisieren und fortbilden. Dazu zählen Maßnahmen wie die Verwendung von leichter Sprache, Barrierefreiheit im digitalen Raum ebenso wie die fortlaufende Beteiligung aller Anspruchsgruppen an den Prozessen im Rathaus. In einer so internationalen und vielfältigen Stadt wie Stuttgart, sollte zusätzlich auch im Bereich der Kultursensibilität mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden, um Vorurteile zu reduzieren. Es darf uns als Stadt nicht egal sein, dass Teile unserer Stadtgesellschaft nach wie vor ausgegrenzt oder anderweitig strukturell diskriminiert werden.

Völker:
Es muss endlich ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs über Inklusion stattfinden. Inklusion sonn nicht nur durch eine UN-Konvention getrieben sein. Inklusion ist viel mehr als Integration. Es ist ferner als Annahme und Bewältigung menschlicher Vielfalt in all ihren Facetten zu verstehen. Ich plädiere daher für ein Bündnis für Inklusion, analog zum Bündnis für Integration. Die Vereinigung von Menschen mit Behinderungen, Menschen mit einem anderen sozialen, ethnischen oder kulturellen Hintergrund, Menschen jeder Altersschicht, sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität sowie jeden Geschlechts muss in einem Gesamtkonzept aufgehen. Es zählen die Gemeinsamkeiten und nicht das, was uns angeblich voneinander unterscheidet. Wir müssen das Thema Behinderung, allem voran der nicht sichtbaren Behinderungen wie psychischen Erkrankungen, enttabuisieren und Räume schaffen, an denen offen darüber gesprochen und sich ausgetauscht werden kann. Darüber hinaus soll Stuttgart die erste Stadt in Deutschland werden, die voll inklusiv ist. Das heißt dann auch, dass Stuttgart absolut barrierefrei werden muss, denn Barrierefreiheit ist der sichtbarste Teil von Inklusion.


Arbeit

Für Menschen mit Behinderung ist es schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden. In Stuttgart wurden und werden auch künftig verschiedene Projekte angestoßen, um Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren.

Frage 3:
Welche Ideen und Vorstellungen bringen Sie mit, um derartige Projekte zu unterstützen und voranzubringen?

Kaufmann:
Je besser die Qualifikation und Leistung eines Bewerbers für die jeweilige Stelle ist, desto weniger spielt eine Behinderung noch eine entscheidende Rolle. Beim Abbau von Barrieren in der Arbeitswelt kann auch die Stadt noch mehr tun, dafür werde ich mich einsetzen.

Kienzle:
Für eine gelungene Inklusion ist die Teilhabe am Arbeitsleben besonders wichtig. Die Integration sollte auch hier so normal wie möglich, jedoch auch so speziell wie nötig erfolgen. Alle Menschen haben vielfältige Potenziale und wollen sich bewähren und weiterentwickeln. Dafür braucht es unterschiedliche Angebote um Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten ihre Chancen zu geben. Dafür braucht es auch bei der Teilhabe durch Arbeit verschiedene Angebote.
Aber Inklusion am Arbeitsplatz flächendeckend zur Realität zu machen, will ich hier auch die Wirtschaft stärker in die Pflicht nehmen. Die Quote für die Beschäftigung von Schwerbehinderten werden von der Privatwirtschaft noch nicht erfüllt. Das „Freikaufen“ von dieser Aufgabe, halte ich für falsch. Und der Anteil der Stellen, die mit Behinderten besetzt werden, stagniert. Hier will ich mehr fordern, aber auch unterstützen und Sorgen und Ängste nehmen. Mit einer Kontaktstelle zur beruflichen Beratung und Erprobung sowie Begleitung von Menschen mit Behinderung, vor und auch während der Arbeitsaufnahme. Auch müssen die Informationen über staatliche Fördermöglichkeiten noch besser kommuniziert werden.
Oftmals gibt es bei den Arbeitgebern noch Vorbehalte. Hier helfen auch Vorbilder. Daher möchte ich bestehende inklusive Arbeitsprojekte besonders unterstützen. Gerade die Cap-Märkte bieten nicht nur den Menschen mit Handicap eine Möglichkeit auf eine Arbeit, die ihren Wünschen und Fähigkeiten entspricht, sie sind auch ein gutes Angebot für die Nahversorgung im Quartier in Gaisburg, Ober- und Untertürkheim. Auch in Einrichtungen wie dem Café Lesbar in der Stadtbibliothek bekommen Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung eine Chance, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bewähren.
Aber auch im öffentlichen Dienst ist noch viel zu tun. Hier muss die Stadtverwaltung mit gutem Beispiel vorangehen und Menschen mit Behinderung, auch mit wesentlichem Förderbedarf, verstärkt Beschäftigungsangebote machen. Die Stadt muss Vorbild sein bei der Integration von Förderschülern als Auszubildende oder Beschäftigte in den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Das Inklusionspaket 2.0 enthält bereits Maßnahmen zur Landeshauptstadt als Arbeitgeberin, die ich auf- und ausbauen will. Gerade eine stadtinterne Mentor*innenstelle zur Vermittlung und Unterstützung bei der Beschäftigung von Menschen mit Förderbedarf ist für mich besonders wichtig.
Doch nicht alle Menschen mit einer Behinderung werden auf dem ersten Arbeitsmarkt unterkommen können oder wollen. Daher sind Beschäftigungsangebote zum Beispiel in einer Werkstatt für behinderte Menschen auch weiterhin ein wichtiges Angebot, um allen eine Teilhabe durch Arbeit zu ermöglichen.

Körner:
Menschen mit einer Behinderung sollen nach Möglichkeit in einem ganz regulären Beschäftigungsverhältnis unterkommen. Es kann nicht sein, dass Unternehmen lieber die Schwerbehindertenabgabe zahlen als sich die Mühe machen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit ein Mensch mit einer Behinderung in seinem Betrieb arbeiten kann. Solange auf Bundeseben diese Abgabe nicht erhöht wird, müssen wir auf kommunalpolitischer Ebene und Betroffenenorganisation an die Unternehmen ausdrücklich appellieren, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. Hierbei ist die Stadt selbst als großer Arbeitgeber gefordert, diesem Anspruch gerecht zu werden. In den letzten Haushaltsberatungen wurde eine (halbe) Mentorenstelle (Jobcoach) als Brücke zur Beschäftigung von Menschen mit Förderbedarf geschaffen, zudem gibt es einen Stellenpool für Menschen mit wesentlicher Behinderung und Förderbedarf. Auch wurden Mittel zur Konzeptentwicklung von Menschen mit Unterstützungs- und Förderbedarf bereitgestellt. Das sind richtige Entscheidungen – aber sie reichen natürlich noch nicht. Ich möchte, dass die Verwaltung noch größere Anstrengungen macht, Menschen mit Behinderung einzustellen. Auch die Teilhabe an Arbeit ist ein Schwerpunkt des Bundesteilhabegesetzes. Ich werde zusammen mit dem Gemeinderat ein Augenmerk darauf haben, dass die neue Abteilung für Rehabilitation und Teilhabe mit Menschen mit Behinderung die Möglichkeiten des Gesetzes für die Menschen mit Behinderung ausschöpft.

Nopper:
Damit dies gelingt müssen Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen ins Boot genommen werden. D.h. mit Hilfe der Wirtschaftsförderung beispielsweise könnte für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen geworben werden und zugleich darüber informiert werden, welche Fördermöglichkeiten für den Arbeitnehmer bestehen, wenn er einen Menschen mit Behinderungen in seinem Betrieb beschäftigt. Oftmals mangelt es an ausreichender Information.

Rockenbauch: Vorab sehe ich es nicht als ‚Projekt‘ an, Menschen mit Behinderung in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren, sondern als Pflicht, um die Gleichbehandlung aller Menschen zu fördern und sicherzustellen. Mögliche Qualifikationsmaßnahmen zeigen sich hier an, die bevorzugte Anstellung von Menschen mit Behinderung in der Verwaltung, wie auch in Ausbildung, aber auch mit unterschiedlichen Anträgen (Bspw.: Nr. 631/2019 „Schwerbehindertenquote in der Berufsausbildung einführen“, Nr. 389/2018 „CAP-Märkte erhalten“), habe ich bereits zusammen mit meiner Fraktion und zukünftig, als Oberbürgermeister zeigen, dass Menschen mit Behinderung die gleichen Chancen haben sollen, wie alle anderen Menschen auch.

Schertlen:
Aus meiner Sicht sollten in der Stadtverwaltung möglichst viele Stellen durch behinderte Menschen besetzt werden. Ebenso sind Projekte wie z.B. die CAP-Märkte zu fördern.

Schreier:
Projekte zur Förderung von Integration in den regulären Arbeitsmarkt sind wichtig, weil Erwerbstätigkeit maßgeblicher Faktor für ein selbstbestimmtes Leben ist. Mir ist dabei besonders wichtig, dass diese Projekte nur gemeinsam mit den Betroffenen erarbeitet und aufgesetzt werden. Auch hier sollte die Stadt mit gutem Beispiel vorangehen und mehr Arbeitsplätze und Arbeitszeitmodelle für Menschen mit Behinderung schaffen.
Ganz generell möchte ich Vertreter*innen der verschiedenen Vereine und Verbände, die sich für die Interessen von Menschen mit Behinderung einsetzen, stärker in städtische Planungen einbeziehen.

Völker:
Es fehlen noch Plattformen, auf denen Menschen mit Behinderungen auf Unternehmen treffen, die gerne Behinderte einstellen würden. Es gibt gute Beispiele von solchen Jobbörsen z. B. aus England oder der Schweiz. Ich habe selbst mit den Gründern dieser Plattformen zusammengearbeitet und würde die Schaffung solch einer privatwirtschaftlich organisierten Jobbörse mit Mitteln der Stadt fördern. Darüber hinaus muss durch Workshops und Initiativen dafür gesorgt werden, dass das Stigma der Leistungsunfähigkeit beseitigt wird. Es stimmt schlicht und ergreifend nicht, dass Menschen mit Behinderungen weniger leistungsfähig sind. Eine Enttabuisierung ist dringend erforderlich und wir müssen mehr positive Beispiele zeigen, wo eine Integration hervorragend funktioniert hat und diese bei Unternehmen aktiv platzieren.


Wohnen

Bezahlbarer Wohnraum ist gerade in Stuttgart mittlerweile zum Luxusgut geworden. Dies gilt erst recht für barrierefreien Wohnraum, den Menschen mit Behinderung, aber auch ältere Menschen, dringend benötigen. Wir fordern, dass inklusives Wohnen künftig von der Stadt in noch erheblicherem Umfang gefördert wird.

Frage 4:
Wie werden Sie inklusives Wohnen unterstützen, insbesondere in Bezug auf die Schaffung und Förderung barrierefreien Wohnraums in der Stadt, beispielsweise auch durch die Einrichtung von barrierefreien Muster- und Trainingswohnungen, um so öffentlichkeitswirksam auf die Problematik hinzuweisen?

Kaufmann:
Da es ganz unterschiedliche Behinderungen und Barrieren gibt, kann es auch beim Wohnen keine Lösungen geben, die für Alle gleichermaßen passen. Mir ist wichtig, dass die Menschen ihre Arbeits- und Wohnumgebung individuell nach ihren speziellen Bedürfnissen gestalten können. Gestaltungsmöglichkeiten und private Initiative werde ich fördern.

Kienzle:
Es ist klar, dass Lebensqualität wesentlich durch die Wohnqualität definiert wird. Um dem vorhandenen Wohnungsmangel vor allem im Bereich barrierefreier Wohnungen zu begegnen, ist in jedem Fall das Förderprogramm für barrierefreies und altersgerechtes Wohnen fortzuführen. Mit dieser Förderung können Wohnraumanpassungen vorgenommen werden, die den Verbleib im vertrauten Wohnumfeld ermöglichen. Gleichzeitig wird so der Anteil an barrierefreien und altersgerechten Wohnungen im Bestand erhöht.
Aber natürlich muss auch bei Neubauten und der Entwicklung von neuen Stadtquartieren verstärkt darauf geachtet werden, dass der Anteil an barrierefreien und rollstuhlgerechten Wohnungen, wie die Landesbauordnung sie in den Anforderungen der DIN 18040 beschreibt, nicht nur eingehalten, sondern möglichst erhöht wird. Sicherlich lässt sich anhand einer neu gebauten Wohnung gut demonstrieren, was es an Innovationen und smarten funktionalen Wohnräumen gibt. Beispielgebend kann hier die geplante Bebauung des Neckarparks sein, wo neben barrierefreien Wohnungen auch Pflege WGs, Tagespflege- und stationäre Pflegeplätze fest mit eingeplant sind, genauso wie eine inklusive Modell-KiTa. Wichtig ist auch, dass das gesamte Wohnumfeld barrierefrei gestaltet ist, so dass Mobilität und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben selbstverständlich sind.
Um im städtisch verantworteten Bereich der Wohnraumschaffung mehr barrierefreien Wohnraum zu schaffen, würde ich insbesondere mit der städtischen Wohnbaugesellschaft, der SWSG, ein Konzept entwickeln wollen, wie sowohl im Neubaubereich als auch im Wohnungsbestand ein deutliches Mehr an barrierefreiem Wohnraum geschaffen werden kann.

Körner:
Das Thema Wohnen ist einer meiner Schwerpunkte. Ich werde Wohnen zur Chefsache machen. Dabei müssen bei den Anstrengungen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, Wohnmöglichkeiten für besondere Bedarfe selbstverständlich mit im Blick sein. Dazu gehören neben den Menschen mit einer körperlichen Behinderung auch die Menschen, für die wir ambulant betreute Wohnformen schaffen müssen. Gerade beim Thema Wohnen müssen wir die unterschiedlichen Formen von Behinderung berücksichtigen. Eine Wohnung für einen Menschen mit einer Sehbehinderung wird anderen Anforderungen gerecht werden müssen als für Personen, die auf einen Elektrorolli angewiesen sind.

Nopper:
Das ist in der Tat ein riesiges Problem in unserer Stadt. Der Gemeinderat hat ein Förderprogramm im Haushalt bewilligt, das für den Umbau von Wohnungen in barrierefreie Wohnungen genutzt werden. Dieses Programm reicht nicht für unsere ganze Stadt, deshalb müssen die Fördergelder nach Ablauf des Programms weiterhin bewilligt werden.
Darüber hinaus müssen dort, wo Neubau entsteht, auch ein bestimmter Anteil an barrierefreien Wohnungen entstehen. Direkten Einfluss hat die Stadt hier z.B. bei der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft SWSG. Aber das reicht nicht, wir müssen auch andere Bauträger dafür gewinnen.

Rockenbauch: Grundsätzlich würde ich das Förderprogramm „barrierefreies und altersgerechtes Wohnen“ in Stuttgart massiv ausbauen, da diese Thematik nicht nur Menschen mit Behinderung betrifft, sondern auch die immer größer werdende Lebenserwartung der Menschen in unserer Stadt. Ich habe schon zu früherer Zeit Anträge, um bspw. zusätzliche Mittel zur Förderung des Baus von Aufzügen und so zur Schaffung von barrierefreien Wohnungen, gestellt. Für mich bedeutet inklusives Wohnen, dass Menschen mit Behinderung, transgenerational und/oder multikulturell gemeinsam zusammenleben, einander wertschätzen und so Vorurteile bereits im Ansatz bekämpft werden können.

Schertlen:
Hierzu darf ich Sie auf meiner Homepage auf das Thema „Wohnen“ verweisen:
https://www.schertlen.de/subs/inhalt.htm
Das „bezahlbare“ Wohnen soll möglichst vollständig barrierefrei stattfinden. Musterwohnungen wären durchaus denkbar. Auch Investoren sollten barrierefrei bauen, hier müsste im Rahmen des Baurechts vom Baurechtsamt darauf geachtet werden.

Schreier:
Der Wohnungsbau ist die zentrale Herausforderung der Stadt Stuttgart. Menschen aller Einkommensbereiche haben große Schwierigkeiten, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Dies gilt insbesondere für bezahlbaren barrierefreien Wohnraum. Stadt lebt von der Vielfalt unterschiedlichster Lebensentwürfe und Lebensformen, die sich auf engstem Raum begegnen. Doch wenn Wohnen zu teuer wird, geht diese Vielfalt verloren. Leider ist der Wohnungsbau in Stuttgart in den letzten Jahren verschlafen worden. Das von der Stadt formulierte Ziel von 1.800 neuen Wohnungen pro Jahr ist nicht nur zu unambitioniert, sondern wurde auch noch regelmäßig unterschritten. Ich möchte einen Neustart in der Wohnungspolitik.
Mehr Wohnungsbau in Stuttgart scheitert heute vor allem an fehlenden Grundstücken. Die Erfahrung vieler europäischer Städte – ob Wien, Zürich oder Ulm – zeigt, dass ein Teil des Wohnungsmarktes der Spekulation entzogen sein muss, wenn Mieten sinken sollen. Deshalb möchte ich eine Stiftung „Wohnen“ gründen, die Grundstücke und Gebäude aufkauft, diese günstig vermietet oder verpachtet – und dadurch dauerhaft der Spekulation entzieht.
Die „Stiftung Wohnen“ kann ein gutes Instrument sein, um im Rahmen der Grundstücksvergabe entsprechende Vorgaben und Quoten für barrierefreien Wohnraum festzusetzen, sodass die Stadt hierüber unmittelbareren Einfluss auf die Gestaltung von Quartieren nehmen kann. Auch Muster- und Trainingswohnungen können auf den Grundstücken der „Stiftung Wohnen“ realisiert werden.

Völker:
Ich begrüße die Idee von Muster- und Trainingswohnungen sehr, da sie schon in anderen Städten Deutschlands mit großem Erfolg umgesetzt wurden. Wieso schaffen wir nicht in jedem der 23 Stadtbezirke solch eine Wohnung? Ziel ist es, die Bevölkerung zu erreichen und für das Konzept Werbung zu machen. Hierzu müssen diese Musterwohnungen über das ganze Stadtgebiet verteilt sein, denn nur so kann sichergestellt werden, dass viele Menschen davon Kenntnis erlangen und sensibilisiert werden. Das Konzept muss Schule machen und muss daher in reicheren wie ärmeren Stadtteilen implementiert werden, um eine große Vielfalt und Reichweite bei der Durchmischung der Bevölkerungs- und Bewohnerschichten zu entwickeln.


Freizeit

In Stuttgart gibt es viele Freizeitangebote: Theater, Konzerte, Museen, Ausstellungen. Oftmals mangelt es an hinreichender barrierefreier Zugänglichkeit. Es fehlen funktionierende Aufzüge beispielsweise für Rollstuhlfahrer oder technische Voraussetzungen für die Teilhabe von blinden, sehbehinderten und gehörlosen Menschen. Wir fordern auch hier zusätzliche Mittel für die Schaffung einer inklusiven Infrastruktur.

Frage 5:
Haben Sie schon einmal eine barrierefreie Veranstaltung besucht? Woran haben sie gemerkt, dass die Veranstaltung barrierefrei ist? Wie können Veranstalter*innen unterstützt werden, eine Veranstaltung barrierefrei zu machen?

Kaufmann:
Barrierefreiheit ist jeweils etwas Anderes, je nach Behinderung. Funktionierende Aufzüge für Gehbehinderte müssen eine Selbstverständlichkeit sein. Künstlerische Veranstaltungen z. B. für Sehbehinderte sind schon von vorneherein anders zu konzipieren als z. B. für Gehörlose, und dabei spielt es kaum eine Rolle, ob jemand mit dem Rollstuhl fährt. Die Anforderungen richten sich hier an die Veranstaltung selbst und weniger an die Infrastruktur. Ich werde Künstler und Veranstalter bei diesem Thema ermutigen.

Kienzle:
Menschen mit Behinderung sollen leichter als heute Kunst und Kultur erleben können. Hier wird in Stuttgart bereits viel getan, doch gibt es bei Kultur-Angeboten noch zu oft Barrieren für Menschen mit Behinderung. Damit Menschen mit Behinderung teilhaben und sich einbringen können, müssen bessere Rahmenbedingungen vorgehalten werden, so Informationen über das Vorhandensein, die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit von Angeboten. Beispielsweise hilft es, wenn Veranstalter*innen im Rahmen der barrierefreien Zugänglichkeit an den Einsatz von Induktionsanlagen, Gebärdensprachdolmetscher* innen oder Assistenzpersonen denken. Informationen in Brailleschrift helfen, dass auch blinde und sehbehindere Menschen besser zurechtkommen.
Viele Veranstaltungen in Stuttgart sind bereits barrierearm. So ist im Theaterhaus Stuttgart zumindest der größte Saal für gehbehinderte Menschen und Rollstuhlfahrer*innen erreichbar. Davon konnte ich mich persönlich überzeugen. In der Liederhalle sind die Säle mit Induktionsschleifen ausgestattet. Und die VHS hat inklusive Angebote fest in ihrem Programm etabliert.
Die Ausstellung war für Menschen mit Gehbehinderung und mit Rollstuhl problemlos zu erreichen, es gab ausreichend rollstuhlgerechte Toiletten im Gebäude und es gab reservierte Sitz- bzw Stellplätze.  Und vor allem war der Besucherservice aufmerksam und stand jederzeit unterstützend zur Seite.
Es ist für die Veranstalter*innen natürlich eine komplexe Aufgabe. Es ist ja nicht nur der barrierefreie Zugang für mobilitätseingeschränkte Menschen mittels ebenerdiger Zugänge, Rampen und Aufzüge zu beachten oder die wichtigen barrierefreien Sanitätseinrichtungen. Auch ein barrierefreien Onlineangebot, Induktionsschleifen für Hörbeeinträchtigte, lesbare Informationen in Brailleschrift für Sehbeeinträchtigte, Informationen in leichter Sprache sind wichtige Voraussetzungen für einen möglichst barrierefreien Zugang. Wichtig ist mir hier eine entsprechende Förderung, um Einrichtungen und Veranstaltungen möglichst barrierefrei umzubauen bzw. auszurichten.Eine 100% Barrierefreiheit für alle Formen von Beeinträchtigung bei allen Angeboten wird schwer zu erreichen sein. Aber ich will mich dafür einsetzen, dass das Bewusstsein für die verschiedenen Barrieren selbstverständlich wird und auf so viele Arten der Behinderung wie möglich Rücksicht genommen wird. Und das geht nur mit einem intensiven Austausch und einer echten Einbeziehung aller betroffenen Gruppen, im Rahmen von Rundgängen mit Betroffenen und Veranstalter*innen, mit Veranstaltungen und Runden Tischen zum Thema um hier Stück für Stück voranzukommen.

Körner:
Die Liederhalle zum Beispiel oder das Theaterhaus und andere viele Kulturstätten sind barrierefrei. Zudem habe ich bereits an Veranstaltungen mit Gebärdendolmetscher*innen teilgenommen. An leichten Zugängen ohne Treppensteigen bzw. mit funktionierendem Aufzug sowie teilweise Mitwirkung eines Gebärdendolmetschers. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass ich als Person ohne körperliche oder geistige Behinderung keinen geschärften Blick hierfür habe. Unterschiedliche Einschränkungen erfordern unterschiedliche Maßnahmen, um als barrierefrei zu gelten. Insofern gehen die Antworten hierzu wahrscheinlich teilweise stark auseinander. Im Rahmen der Fortsetzung des Fokus-Aktionsplans Inklusion wird – zusammen mit dem Gemeinderat, der die erforderlichen Mittel dafür bereitstellen muss – zu überlegen sein, ob Veranstalter und/oder Träger von Kulturstätten, wozu auch die vielen Museen gehören, durch eine gezielte Förderung im Rahmen eines Förderbudgets unterstützt werden können. Ich appelliere allerdings auch an diese Institutionen, hier selbst aktiv zu werden. Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Unternehmen, aber auch Träger von Kulturstätten sind ausdrücklich gebeten, hier selbst aktiv zu werden.

Nopper:
Jährlich findet in der Backnanger Stadthalle der Bunte Abend der Lebenshilfe Rems-Murr e.V. statt, bei dem ich gerne traditionell zu Gast bin und auch ein Grußwort halte. Diese Veranstaltung findet immer absolut barrierefrei statt. Von Anfang bis Ende ist die Veranstaltung barrierefrei durchdacht, ob beim Zugang, bei der Ausgestaltung des Programms und auch bei der Gestaltung der Stadthelle. Wenn man so möchte: Ein gelebtes Paradebeispiel! Man kann die Veranstalter darüber informieren, was es bedarf, um Barrierefreiheit herzustellen. Darüber hinaus kann man den Veranstaltern mit finanziellen Mitteln unter die Arme greifen, damit sie Barrierefreiheit umsetzen können. Hierzu muss die Stadt Gelder in den Haushalt einstellen und der Gemeinderat muss dies genehmigen. Ein Oberbürgermeister kann dies dem Gemeinderat jedoch vorschlagen.

Rockenbauch:
Mir fallen vor allem Veranstaltungen ein, die nicht barrierefrei waren. Vor allem dann, wenn ich mit Menschen mit Behinderung unterwegs war. Wie ich schon erwähnt habe, müssen alle öffentlichen Gebäude und Veranstaltungshäuser barrierefrei umbauen und eine mögliche Förderung für private Veranstalter einführen. Die kommunalen Veranstaltungsgesellschaften in.Stuttgart und Pro Stuttgart müssen in die Pflicht genommen werden, ihre Veranstaltungen zukünftig barrierefrei/barrierearm zu gestalten.

Schertlen:
Ja, z.B. im LKA-Longhorn. Man konnte mit dem Rolli über den Eingang, durch den normal die Bühnenaufbauten hereingefahren werden. Oder auch in der Rockfabrik, wo stets viele behinderte Gäste der Ludwigsburger Karlshöhe unter den Gästen waren. Die Stadt könnte einen Bonus zuschießen, wenn Veranstalter entsprechend agieren. Generell darf auch das Thema „Aufzüge“ keines mehr bleiben. Die Ersatzteile für Reparaturen müssen vorrätig sein und eine Soforthilfe im Störungsfall muss gewährleistet sein.

Schreier:
Ja. Die letzte barrierefreie Veranstaltung, die ich besucht habe, war die offizielle Kandidatenvorstellung zur OB-Wahl der Landeshauptstadt Stuttgart. Bemerkt habe ich dies durch das Angebot eines Gebärdendolmetschers und der Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrerinnen. Die Stadt kann hinsichtlich der Barrierefreiheit von Veranstaltungen mit der Beauftragten für Menschen mit Behinderung beratend für Veranstalterinnen zur Seite stehen. Ich kann mir vorstellen, für private Veranstaltungen, die in öffentlichen Gebäuden stattfinden, eine entsprechende Beratung durch die Stadtverwaltung vorzusehen. Barrierefreie Organisationspläne und/oder Veranstaltungskonzepte könnten bei der Beauftragten für Menschen mit Behinderung gesammelt und vorgehalten werden, sodass Best Practices als Blaupausen einfacher für Veranstalter*innen verfügbar sind.

Völker:
Ich kenne barrierefreie Veranstaltungen insbesondere aus der Schweiz, in der ich 10 Jahre gelebt habe. Es wurde dort insbesondere auf selbstöffnende Türen, breiten Rampen und vor allem auch barrierefreie Informationen im Internet im Vorfeld der Veranstaltung Wert gelegt. Ich bin der Auffassung, dass Veranstaltern seitens der Stadt gewisse Auflagen gemacht werden können. Sie sollen aber auch Unterstützung von der Stadt erhalten in Form einer Handreichung und Checkliste für barrierefreie Veranstaltungen. Darüber hinaus sollten Veranstalter auch kostenpflichtige Beratung seitens der Stadt in Anspruch nehmen können und hier von Experten Wege aufgezeigt bekommen, wie man bestmöglich eine barrierefreie Veranstaltung planen und durchführen kann.


Familien

Familien, in denen Menschen mit Behinderung leben, fehlt es oft an finanzieller, personeller und technischer Unterstützung. Hierzu gehört beispielsweise auch die Sicherstellung von Schulassistenzen.

Frage 6:
Was werden Sie tun, damit Kinder und Jugendliche mit Behinderung aus diesen Familien ausreichend mit finanziellen Mitteln, Manpower und einer funktionierenden Infrastruktur ausgestattet werden.

Kaufmann:
Ich werde mich gemeinsam mit anderen Städten und Gemeinden auf politischer Ebene für angemessene Finanzierung einsetzen.

Kienzle:
In diesem Punkt gibt es trotz mancher Fortschritte noch viel zu tun in der Stadt. Obwohl die meisten Bahnsteige mittlerweile barrierefrei zugänglich sind, gibt es insbesondere bei den Waggons der SSB noch viele Mängel, insbesondere was den nach wie vor sehr großen Niveau-Unterschied zwischen den Bahnsteigen und den Einstiegen in die Fahrzeuge anbelangt. Für blinde und sehbehinderte Menschen gibt es immer noch sehr große Probleme aufgrund fehlender und unvollständiger Leitlinie. In vielen Ämtern und anderen öffentlichen Gebäuden wie auch im Kulturbereich fehlen nach wie vor Induktionsschleifen für gehörlose Menschen. Hier herrscht auch oft noch auf nahezu Gebieten insgesamt ein großer Mangel an barrierefreier Zugänglichkeit.

Körner:
Zur Infrastruktur Bildung gehört natürlich die Ausstattung der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) und der Kindergärten. Hier kann ich auf die im Haushalt beschlossenen Mittel für das Modellprojekt „Kita für Alle“ hinweisen. Ebenso möchte ich an die neue Margarete-Steiff-Schule erinnern, für die die Stadt fast 17 Millionen Euro ausgegeben hat. Zur Schulassistenz: Mit dem Bundesteilhabegesetz sollen Leistungen, die einen personenzentrierten, individuell ermittelten Hilfebedarf abdecken, auch für Kinder und Jugendliche gewährt werden. In Baden-Württemberg befindet sich der entsprechende Landesrahmenvertrag gegenwärtig im Unterschriftsverfahren. Ich gehe davon aus, dass die gesetzlich im neuen SGB IX verankerten Rechte auf Teilhabe an Bildung sowie auf Soziale Teilhabe greifen werden und dass die jeweils erforderlichen Assistenzen – sei es für den Schulbesuch oder den Freizeitbereich – so gewährt werden, wie sie die betroffenen Kinder und Jugendlichen brauchen.

Nopper:
Zuerst muss der genaue Bedarf der Familie bekannt sein, denn dieser ist nicht überall gleich. Dann kann man schauen, welche Fördermöglichkeiten gibt es finanzieller Art von Seiten der Stadt. Viele Familien brauchen auch Assistenzen, die die Stadt anbieten und finanzieren kann.

Rockenbauch:
Die Förderung von inklusiven Bildungs- und Betreuungskonzepten muss erhöht werden, damit die Kinder, wie auch die Jugendlichen gemeinsam aufwachsen können. Hier sehe ich die Stadt mit ihren Vorhaben zu inklusiven „Spiel- und Bewegungsräumen“, sowie auch die „Kita für alle in Stuttgart“ auf einem richtigen Weg, der Ausbau und das Weiterbestehen dieser Konzepte muss gesichert werden. Es sollten die nötigen Stellen zur Schulassistenz beim Jugend- und Sozialamt geschaffen werden, auch muss die Stadt diese selbst ausbilden; eine neue Stelle ohne Besetzung hilft uns hier längerfristig nicht weiter. Es sollte keine Abwägung der Finanzen sein, ob ein Kind, oder Jugendlicher eine reguläre Schule besucht, oder eine Förderschule, sondern nur eine Frage, welches die optimalsten Entwicklungschancen dem Kind bietet.

Schertlen:
Gucken, dass der Gemeinderat die entsprechenden Mittel freigibt im Haushalt. Abseits vom Geld auch schauen, ob es weitere Maßnahmen gibt, z.B. auch Partnerschaften.

Schreier:
Ich möchte, dass Assistenzangebote künftig besser unterstützt und gefördert werden. Die Corona-Pandemie hat uns noch einmal aufgezeigt, dass besonders bei den Assistenzangeboten noch Nachholbedarf besteht. Die Stadt sollte zudem inklusive Sport- und andere Vereinsangebote stärker fördern.

Völker:
In erster Linie sind die Sozialhilfeträger für Schulassistenzen in der Pflicht und werden auch über die BAGüS – Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe finanziert. Darüber hinaus kann die Stadt aber mit einem Fonds dazu beitragen, dass personelle und technische Unterstützung sichergesellt sind. Insbesondere die technische Unterstützung könnte im Verleih-Prinzip den Betroffenen zugute kommen. Damit wird sichergestellt, dass sie von technischen Neuerungen profitiere können. Hierzu zählt auch Software wie z. b. JAWS.


Barrierefreiheit im öffentlichen Raum und bei den Behörden in der Stadt

In diesem Punkt gibt es trotz mancher Fortschritte noch viel zu tun in der Stadt. Obwohl die meisten Bahnsteige mittlerweile barrierefrei zugänglich sind, gibt es insbesondere bei den Waggons der SSB noch viele Mängel, insbesondere was den nach wie vor sehr großen Niveau-Unterschied zwischen den Bahnsteigen und den Einstiegen in die Fahrzeuge anbelangt. Für blinde und sehbehinderte Menschen gibt es immer noch sehr große Probleme aufgrund fehlender und unvollständiger Leitlinie. In vielen Ämtern und anderen öffentlichen Gebäuden wie auch im Kulturbereich fehlen nach wie vor Induktionsschleifen für gehörlose Menschen. Hier herrscht auch oft noch auf nahezu Gebieten insgesamt ein großer Mangel an barrierefreier Zugänglichkeit.

Frage 7: Haben Sie Pläne, wie das Leben in Stuttgart barrierefreier werden kann? Welche Barrieren werden Sie abbauen? Wann werden Sie das tun?

Kaufmann:
Für den Abbau von Barrieren im öffentlichen Raum und bei den Behörden braucht es eine vertrauensvolle, regelmäßige, aber auch geduldige Abstimmung zwischen Experten aus dem Kreis der Menschen mit Behinderung, den verschiedenen Ämtern, den Fachleuten von der SSB, Stadt- und Verkehrsplanern, Architekten, Bauträgern und anderen mehr. Dafür werde ich sorgen.

Kienzle:
Es ist mir wichtig, dass Menschen mit einer Behinderung in der Stadt die Bedingungen vorfinden, um in Stuttgart gut leben und selbstständig mobil sein können. Hierfür müssen die Barrieren im öffentlichen Raum abgebaut werden. Dazu gehört natürlich der ÖPNV, sowohl die Bahnsteige als auch die Bushaltestellen, aber genauso auch die öffentlichen Einrichtungen, Begegnungsstätten, Kulturinstitutionen und Bildungsstätten. Gerade der barrierefreie Ausbau der Haltestellen muss beschleunigt werden. Für eine inklusive Gesellschaft ist ein uneingeschränkter Zugang zu Mobilität unerlässlich. Hier erwarte ich von der SSB einen verbindlichen Zeitplan. Auch die Umgestaltung des öffentlichen Raums, mit abgesenkten Bordsteinen, ausreichend breiten Gehsteigen und sicheren Überwegen gehört zum Schwarzbrot des Tiefbaus bei Straßensanierungen. Genauso die inklusiven Spielplätze. Und ein angemessenes Beleuchtungskonzept im öffentlichen Raum, das eine möglichst gefahrlose Mobilität für alle Menschen ermöglicht sowie für eine hohe Aufenthaltsqualität sorgt. Aber auch die soziale Infrastruktur, wie Stadtteilzentren, Begegnungsstätten und Familienzentren müssen barrierefrei umgestaltet werden. Der barrierefreie Online-Stadtführer bietet bereits einen guten Überblick über die Zugänglichkeit von Gebäuden und Einrichtungen und darüber, ob Angebote für gehörlose oder sehbehinderte Menschen vorhanden sind. Er zeigt aber auch, dass hier noch viel zu tun ist, damit Menschen mit Behinderung eine echte Teilhabe ermöglicht wird. Daher setze ich mich für den Ausbau einer inklusiven Infrastruktur ein.

Körner:
Im letzten Doppelhaushalt hat der Gemeinderat ein Sonderprogramm zur Barrierefreiheit beschlossen. Und erst in der letzten Sitzung des Beirates für Menschen mit Behinderung hat die SSB mit einem ausführlichen Vortrag darauf hingewiesen, wie sie in Zukunft die Niveau-Unterschiede bei den Stadtbahnen beheben will. Hier sind Gemeinderat, Stadtverwaltung und die SSB dran, das Thema Mobilität zu bearbeiten, wenngleich hier noch viel zu tun ist. Zur Barrierefreiheit der städtischen Ämter und Behörden kann ich sagen, dass wir hierbei auf einem sehr guten Weg sind. So sind zum Beispiel fast alle unsere Bezirksämter barrierefrei. Mit dem großen Projekt „Barrierefreies Sozialamt“ haben wir bereits vor vielen Jahren begonnen, unsere städtischen Ämter entsprechend auf den Weg zu bringen. Als Oberbürgermeister würde ich zusammen mit dem Gemeinderat und allen Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen den Aktionsplan Stück für Stück weiterverfolgen. Dazu gibt es in den Handlungsfeldern Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Förderung in Kita und Schule noch einiges zu tun. Das möchte ich als OB sukzessive mit den nächsten Haushaltsberatungen angehen. Ungeachtet dessen kann jeder und jede alleine durch eine umsichtige Sprache die Wertschätzung für Menschen mit Behinderung ausdrücken. Wir müssen die Barrieren in den Köpfen auch in unserem Reden abbauen. Das schafft Bewusstsein und sensibilisiert.

Nopper:
Erst einmal müsste ich gewählt werden, um die oben genannten Maßnahmen in Angriff zu nehmen bzw. weiter auszubauen. Das muss möglichst schnell gehen, aber man darf sich auch nichts vormachen, dass viele Dinge einfach ihre Zeit brauchen. Wichtig ist, dass sie auf den Weg gebracht werden und dazu bin ich bereit.
Neben den schon genannten Maßnahmen, könnte ich mir gut eine Kampagne der Stadt Stuttgart vorstellen, in der für die Belange und das Verständnis für Menschen mit Behinderungen geworben wird, denn immerhin leben rund 48.000 Menschen mit Behinderungen in unserer Stadt. Das bedeutet, ein Ziel muss es auch sein, die Barrieren in den Köpfen der Menschen ohne Behinderung abzubauen, die leider oftmals existieren.

Rockenbauch:
Ich strebe einen komplett barrierefreien ÖPNV als Ziel an, auch müssen alle Öffentlichen- und Verwaltungsgebäude barrierefrei werden; hierbei ziele ich aber kein „durch-die-Hintertür-barrierefrei“ an, wie dies im Stuttgarter Rathaus zu finden ist, sondern ein ernsthaftes „durch-die-Vordertür-barrierefrei“, welches allen Menschen einen gleichberechtigten und würdevollen Zugang zu öffentlichen Gebäuden bietet, niemals möchte ich das (potentiell diskriminierende) Gefühl der Sonderbehandlung vermitteln, sondern das Gefühl der Gleichbehandlung. Weiterhin müssen Stellen geschaffen werden, damit die einzelnen Stadtquartiere perspektivisch, barrierefrei gestaltet werden. Ein zentraler Bestandteil bzgl. Barrierefreiheit ist für mich auch die ‚Einfache Sprache‘, diese sollte soweit es möglich ist, die Verwaltungssprache ablösen; einmal aus beruflicher Perspektive, um so den Arbeitsmarkt in der Verwaltung für Menschen mit Behinderung zu öffnen, aber auch, um das Verständnis für amtliche Schreiben und Mitteilungen zu erhöhen.
Barrierefreiheit bedeutet für mich, dass jeder Mensch am Leben in der Gesellschaft teilnehmen kann, ohne an Grenzen zu stoßen und viele Lösungen für Barrierefreiheit, können auch Menschen ohne Behinderung nutzen. Rampen und Aufzüge sind gut für Rollstuhlfahrer, aber auch für ältere Menschen und Mütter/Väter mit Kinderwagen. Defekte Aufzüge und Rolltreppen müssen sofort mit Priorität repariert werden, sowie auch mittels VVS-App aktuell angezeigt werden. Für den ÖPNV sollte aber ein umfassendes Konzept erarbeitet werden, um allen Menschen mit Behinderungen gerecht zu werden, bspw. könnten aktuelle Meldungen nicht nur durchgesagt werden, sondern auch auf den Anzeigen in der Bahn dargestellt werden, damit Menschen ohne/ mit geminderten Gehörsinn diese auch entsprechend wahrnehmen können.
Ich möchte, dass die Behindertenverbände, die Behindertenbeauftragte, der VVS-Fahrgastbeirat und der Beirat für Menschen mit Behinderung eine beratende Position einnehmen können, um mitzuhelfen, dass wir den ÖPNV in Stuttgart in den nächsten Jahren konsequent barrierefrei gestalten -hierbei können insbesondere die Erfahrungen, der Menschen mit Behinderung wertvoll zur Umsetzung sein und müssen unbedingt angehört werden.

Schertlen:
Ich werde mit Simone Fischer reden und mir von ihr bzw. ihrem Beirat darlegen lassen, was alles notwendig ist. Danach werde ich einen Zeitplan erstellen und sowieso als unmittelbare Maßnahme alle Ämter anweisen, auf Barrierefreiheit zu achten. Vielleicht haben Sie auf meiner Homepage gelesen, dass ich langfristig gerne die gelben Monsterzüge durch Niederflurbahnen ersetzen würde, so wie in anderen Städten. Was ich auch eine Überlegung wert fände sind Maßnahmen wie die Unterstützung behinderter Menschen durch Robotik. Das können Exoskelette sein oder auch z.B. einfach Roboter, die treppensteigfähig sind und einen Rollstuhlfahrer über die Treppe bringen. Es können auch Vorlesegeräte sein, wobei es da schon viel gibt.

Schreier:
Die relevanten Stellschrauben für mehr Barrierefreiheit in Stuttgart sind im Aktionsplan treffend beschrieben. Ich möchte daher die strukturellen Defizite beheben, in dem wir die Maßnahmen zur Barrierefreiheit aus dem Aktionsplan zügig realisieren. Dazu gehören vor allen Dingen die öffentlichen Gebäude – angefangen von Induktionsschleifen bis hin zu Hilfsangeboten für Blinde. Künftige Maßnahmen möchte ich u.a. mit den Verbänden gemeinsam entwickeln.

Völker:
Die Umsetzung einer völlig barrierefreien Stadt im Zuge meiner geplanten Inklusions-Strategie würde im Falle eines Wahlsiegs unverzüglich angestossen und umgesetzt werden. Stuttgart soll unter meiner Leitung bis spätestens 2024 völlig barrierefrei sein. Bei der SSB kommen wir allerdings leider an eine technische Grenze, die so schnell nicht aufgeweicht werden kann. Leider ist es nicht möglich, die bestehenden Gleiskörper und Waggons durch Niederflurfahrzeuge auszutauschen. Hierzu habe ich mich bereits mit Experten unterhalten. Die Einstiegskante hängt auch stark vom Abfahren der Gleise und des Radkranzes ab. Es müssen daher Hilfsmaßnahmen her wie z. B. mobile Rampen. Anders sieht es bei digitalen Barrieren aus. Diese können meines Erachtens innerhalb Jahresfrist beseitigt werden.


Zukunft ohne Barrieren

Stellen wir uns vor, wir leben im Jahr 2028 Die Wahlperiode des Oberbürgermeisters geht zu Ende. Die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung hat sich in Stuttgart verbessert, nicht zuletzt durch erfolgreiche Zusammenarbeit von Gemeinderat, Stadtverwaltung und Bürgerschaft.

Frage 8:
Was sind Ihre drei größten Erfolge?

Kaufmann:
Menschen mit (unterschiedlicher) Behinderung sind in weiten Teilen der Stadt barrierefrei mobil.
Die Kommunikation mit Behindertenvertretern ist für alle Stuttgarter Ämter und Behörden eine angenehme Selbstverständlichkeit.
Es gibt einen erfolgreichen Arbeitskreis Stuttgarter Planer und Architekten für barrierefreies Bauen und Gestalten.

Kienzle:
Alle öffentlichen Gebäude der Stadt und alle Haltestellen sind barrierefrei.
Jede/r Mensch mit Behinderung kann in einer für ihn/ sie zugeschnittenen Wohnform leben.
Die Stadt Stuttgart bekommt das Gütesiegel „Inklusive Landeshauptstadt“.

Körner:
Das Bundesteilhabegesetz ist in Stuttgart gut umgesetzt; das heißt, das Instrument des Gesamtplanverfahrens auf der Grundlage des personenzentrierten, individuell ermittelten Unterstützungsbedarfs funktioniert und die Betroffen erhalten die gesetzlich verankerte Form der Unterstützung, die ihnen zusteht.
Städtische Ämter, viele kulturelle Veranstaltungsorte in unserer Stadt, aber auch andere wichtige Institutionen einschließlich Gebäude sind barrierefrei – und zwar nicht nur für Rollfahrer*innen, sondern zum Beispiel auch für Menschen mit einer Sehbehinderung oder gehörlose Menschen.
Es herrscht ein inklusives Klima in der Stadt: Menschen mit Behinderung werden nicht mehr klischeehaft als bemitleidenswerte Wesen oder aber als Held/Heldin ihres Alltags betrachtet, sondern als Menschen wie Du und ich mit der je eigenen Persönlichkeit – mit Kreativität, Nachdenklichkeit und der ein oder anderen Macke, so wie jeder Mensch sie hat. Durch meine Arbeit als Oberbürgermeister werde ich zu diesem inklusiven Klima beigetragen haben.

Nopper:
Ein barrierefreier ÖPNV und weitgehende Barrierefreiheit in der Stadt.
Barrierefreiheit in den Köpfen der Menschen – verbunden mit vorteilslosem Umgang mit Menschen mit Behinderungen.
Ausreichend barrierefreie Wohnungen für Menschen mit Behinderungen.

Rockenbauch:
Kein Mensch findet möglichst keine Barriere im öffentlichen Raum, welche diesen Menschen den Weg versperrt und dazu zwingt, an einer anderen Haltestelle aussteigen zu müssen.
Der (zumindest kommunale) Arbeitsmarkt hat es geschafft, eine Angleichung der Arbeitslosenzahlen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung zu erfüllen –Voraussetzung hierzu ist natürlich die Arbeitsfähigkeit, als Vergleichsreferenz.
Die Berufs- und Bildungschancen, von Kindern, die in Familien aufwachsen, in denen mindestens ein Elternteil mit Behinderung aufwächst, entspricht denen, deren Eltern keine Behinderung haben.

Schertlen:
Bei der Stadt arbeiten wesentlich mehr Behinderte, dies hat(te) Vorbild für weitere Unternehmen, die ebenfalls mehr Behinderte eingestellt haben.
Die Preise für Miete oder Wohneigentum sind auf dem Niveau von z.B. Sigmaringen und sämtliche neuen Bauprojekte sind vollständig barrierefrei.
In die Schule zu gehen gemeinsam mit Nichtbehinderten bzw. auch kulturelle Teilhabe ist für Behinderte selbstverständlich.

Schreier:
Die Betroffenen waren in alle Maßnahmen aktiv eingebunden.
Die Sensibilität gegenüber Menschen mit Behinderung ist weiter gestiegen und eine gleichberechtigte Teilhabe für alle Stuttgarter*innen ist zum Selbstverständnis der Stadtverwaltung geworden.
Wir haben insbesondere im Bereich des bezahlbaren barrierefreien Wohnraums und öffentlicher Orte/Gebäude Fortschritte erzielt.

Völker:
Ich würde mir wünschen, dass insbesondere die Enttabuisierung und Stigmatisierung von behinderten Menschen besonders im Berufsleben am Ende meiner ersten Amtszeit vorbei wäre.
Ferner würden alle städtischen Einrichtungen vollinklusiv und barrierefrei sein.
Bis 2028 hätten wir 23 Muster- bzw. Trainingswohnungen eingerichtet, die von der Stadt finanziert werden.


Zusammenarbeit

Es gibt in Stuttgart die Beauftragte für Menschen mit Behinderung und dem Behindertenbeirat, der sich aus betroffenen Bürger*innen zusammensetzt, die ihre Kompetenzen durch Beratung der Stadtverwaltung und eigener Initiative einbringen.

Frage 9:
Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit dem Behindertenbeirat und der Behindertenbeauftragten vor? Werden Sie sich für ein Anhörungsrecht des Behindertenbeirats in den Gremien der Stadt einsetzen?

Kaufmann:
Ich werde dafür sorgen, dass bei allen relevanten Themen und Prozessen der Entscheidungsfindung stets der Behindertenbeirat gehört wird.

Kienzle:
Beteiligung muss grundsätzlich offener und vielfältiger stattfinden, als das heute in den Gremien praktiziert wird. Ich setze mich auf jeden Fall für ein Anhörungsrecht des Beirats für Menschen mit Behinderung in den städtischen Gremien ein.

Körner:
In Stuttgart arbeiten die Bürgermeister*innen in der Regel gut bis sehr gut mit dem Oberbürgermeister zusammen, sodass ich hier mich darauf verlassen könnte, dass im zuständigen Referat alles Erforderliche und so viel Wünschenswertes wie möglich getan wird. Der Beirat – wie dies zum Beispiel bei den Haushaltberatungen der Fall war – kann ohne Erlaubnis eines Bürgermeisters oder Oberbürgermeisters Stellungnahmen abgeben. Der Beirat kann, wie jedes andere beratende Gremium auch, selbst tätig werden und von sich aus agieren. Der offene Brief des Beirates für Menschen mit Behinderung zur Corona-Pandemie ist ein sehr gutes Beispiel dafür.

Nopper:
Ich gehe mal davon aus, dass Sie das bei Themen, die die Menschen mit Behinderungen betreffen, wünschen. Die Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, Frau Fischer, muss immer bei allen Entscheidungen einbezogen werden, die den Behindertenbeirat betreffen und die Menschen mit Behinderungen. Insofern kann Frau Fischer das Anhörungsrecht stets wahrnehmen. Das möchte ich auf jeden Fall beibehalten und wo nötig, ausbauen.

Rockenbauch:
Ich stelle mir die Zusammenarbeit als konstruktiven und solidarischen Austausch vor. Selbstverständlich würde ich mich für ein Anhörungsrecht des Behindertenbeirats einsetzen.

Schertlen:
Ich würde in ausreichend kurzen Intervallen mit Frau Fischer (bzw. ggf. Nachfolge) sprechen und auch persönlich zumindest auf Wunsch bei Themen wo es arg hakt, hin und wieder jedoch auch ohne besonderen Anlass, in den Behindertenbeirat kommen. Grundsätzlich befürworte ich 2fa2beein Anhörungsrecht des Beirats für Menschen mit Behinderung, müsste aber schauen was a) mit der Gemeindeordnung vereinbar ist bzgl. Anhörungsrecht und b) darauf achten, dass auch andere Interessenvertretungen ein ähnlich intensives Anhörungsrecht hätten und diese Anhörungen in ausgewogenem Maße stattfinden. Da Frau Fischer hin und wieder in „meinem“ Ausschuss war als ich noch Stadtrat war, gehe ich auch davon aus, dass dies auch in Zukunft bei gegebenen Anlässen weiterhin so gehandhabt wird.


Schreier:
Ich halte es für einen ganz wichtigen Schritt, dass die Stadt Stuttgart inzwischen eine hauptamtliche Beauftragte für Menschen mit Behinderung hat. Die Zusammenarbeit mit ihr und dem Behindertenbeirat halte ich für zentral. Denn: Ich möchte die oben beschriebenen Maßnahmen gemeinsam entwickeln. Dafür ist die Expertise der Beauftragten für Menschen mit Behinderung und dem Behindertenbeirat unabdingbar. Ein Anhörungsrecht des Behindertenbeirats in den Gremien der Stadt möchte ich gerne prüfen.

Völker:
Die Arbeit des Behindertenbeirats ist ein wichtiger Baustein, damit Stuttgart auf einen Weg kommt, der es behinderten Menschen in Zukunft erlauben wird, mit weniger Einschränkungen leben zu können. Ich würde diesem Gremium daher ein Anhörungsrecht in allen wichtigen Gremien der Stadt zuteil werden lassen.

Aus Anlass der bevorstehenden Oberbürgermeisterwahl am 8. November haben wir am 27. Oktober die Oberbürgermeister-Kandidat*innen zu einer Online-Diskussion eingeladen.
Für alle, die keine Zeit hatten, live dabei zu sein ist hier der Mitschnitt unserer Online-Veranstaltungzu sehen: https://youtu.be/uO4P0sDvYxY